Es war Egon Krenz der den schrecklichen Schießbefehl in dem Augenblick aufgehoben hat, als er dazu überhaupt die Möglichkeit hatte. Voraussetzung dafür war der von ihm herbeigeführte Sturz Honeckers. Das verurteilende Landgericht Berlin, eine unverdächtige Quelle, hat in seinem Urteil wörtlich ausgeführt: 

"Im Namen des Volkes...Der Angeklagte Krenz wird wegen Totschlags sowie wegen tateinheitlich begangenen dreifachen Totschlags zu einer Gesamtstrafe von 6 (sechs) Jahren und 6 (sechs) Monaten verurteilt."

"Anfang April 1989 war es der Angeklagte Krenz, der eine Veränderung der Schußwaffenanwendungspraxis herbeiführte, als er Erich Honecker in dessen Abwesenheit als Generalsekretär vertrat...Die Initiative des Angeklagten Krenz fügte sich in sein bisheriges Verhalten ein. Auch wenn er stets die Unüberwindlichkeit der Grenzsperranlagen anstrebte und zu diesem Zweck auch die Tötung von Flüchtlingen als vorübergehend unvermeidbar in Kauf nahm, war es ihm von Beginn seiner Tätigkeit als Sekretär des Zentralkomitees und Mitglied des Nationalen Verteidigungsrates und des Politbüros ein Anliegen, die Grenzsicherungsanlagen so zu gestalten, daß es möglichst nicht zur Anwendung der Schußwaffe gegenüber Flüchtlingen kommen brauchte...Im Herbst 1989 trug der Angeklagte maßgeblich zur Deeskalation der damaligen Situation bei, die ohne weiteres zu einem Bürgerkrieg mit unabsehbaren Folgen hätte führen können...Der Angeklagte 

Krenz sorgte sowohl in den Oktobertagen des Jahres 1989 mit den zahlreichen Großdemonstrationen in verschiedenen Großstädten der DDR als auch im November 1989 nach Öffnung der Mauer aktiv und initiativreich dafür, daß es zu keinem Blutvergießen kam. Die Kammer hat insoweit als wahr unterstellt, daß er im Zusammenhang mit der am 9. Oktober 1989 geplanten Großdemonstration in Leipzig dem Zeugen Prof. Dr. Friedrich, Direktor des Instituts für Jugendforschung der DDR versicherte, er werde alles in seiner Macht stehende tun, um ein Blutvergießen zu verhindern. Über diese Gespräch informierte er den Zeugen Dr. Herger, Leiter der Abteilung für Sicherheitsfragen des Zentralkomitees, und ordnete an, durch die Abteilung für Sicherheitsfragen des Zentralkomitees der SED alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Gewaltanwendung durch Sicherheitskräfte in Leipzig zu verhindern...Am 13. Oktober 1989 reiste er wegen einer für den 16. Oktober 1989 angekündigten Großdemonstration nach Leipzig und legte in Gesprächen mit der Bezirkseinsatzleitung in Leipzig im Beisen der Zeugen Dr. Herger, Streletz, Karl-Heinz Wagner - Stellvertreter des Ministers des Innern und Chef des Hauptstabes - und Rudi Mittig - Stellvertreter des Ministers für Staatssicherheit - fest, daß gegen Demonstranten grundsätzlich keine Gewalt angewendet werden dürfe, es sei denn, daß Sicherheitskräfte unmittelbar angegriffen würden und sich nicht anders verteidigen könnten...Am 13. Oktober 1989 formulierte er gemeinsam mit dem Zeugen Streletz...den Befehl Nr. 9/89 des Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungsrates, der auszugsweise wie folgt lautete: ´Zur Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung in Leipzig und zur Verhinderung von Provokationen unterschiedlicher Art befehle ich:

...Der aktive Einsatz polizeilicher Kräfte und Mittel erfolgt nur bei 
Gewaltanwendung der Demonstranten gegenüber den eingesetzten Sicherheitskräften bzw. bei Gewaltanwendung gegenüber Objekten auf Befehl des Vorsitzenden der Bezirkseinsatzleitung Leipzig. Der Einsatz der Schußwaffe im Zusammenhang mit möglichen Demonstrationen ist grundsätzlich verboten.`...Anschließend informierte der Angeklagte Krenz den Botschafter der UdSSR in der DDR Kotschemassow über die Lage in Leipzig und den Befehl Nr. 9/89, um zu verhindern, daß durch ein Verhalten sowjetischer Militärs der Eindruck entstehen konnte, die Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland (GSSD) werde gegen Demonstranten eingesetzt werden. Er bat ferner den Zeugen Streletz, den Zeugen Armeegeneral Snetkow, den Oberkommandierenden der GSSD, gleichermaßen zu informieren und zu bitten, daß die sowjetischen Streitkräfte in und um Leipzig, Halle, Magdeburg und Berlin in den Kasernen verbleiben, um mögliche Eskalationen sicher zu vermeiden. Am 19. Oktober 1989 äußerte der Angeklagte Krenz gegenüber dem Vorsitzenden der Konferenz der evangelischen Kirchenleitung der DDR Landesbischof Dr. Leich, dem Vorsitzenden der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitung Bischof Dr. Demke (er war Stellvertreter des Vorsitzenden/ Anmerkung d.Verf.) , dem Konsistoriallpräsidenten Manfred Stope und dem Leiter des Sekretariats des Bundes der evangelischen Kirche der DDR, Oberkirchenrat Martin Ziegler, politische Fragen dürfen nur politisch gelöst werden. Das Anliegen der der neuen Partei- und Staatsführung sei es, daß es zu keiner Konfrontation komme. Am 24. Oktober 1989 erklärte der Angeklagte Krenz in seiner Rede vor der Volkskammer der DDR, daß umgehend rechtliche Regelungen zu schaffen seien, um die weitere Verfolgung von DDR - Bürgern, die ungesetzlich die DDR verlassen wollten, zu beenden. Auf Initiative des Angeklagten Krenz faßte der Staatsrat der DDR am 27. Oktober 1989 einen Beschluß über eine Amnestie von Personen, die vor dem 27. Oktober 1989 Straftaten des ungesetzlichen Grenzübertritts sowie Straftaten begangen hatten, die darauf gerichtet waren, die Ausreise aus der DDR widerrechtlich durchzusetzen...Am 31. Oktober 1989 flog der Angeklagte Krenz nach Moskau und erläuterte...Michail Gorbatschow einen Befehlsentwurf, der die Anwendung der Schußwaffe im Zusammenhang mit Demonstrationen auch im Grenzgebiet strikt verbot, dahingehend: ´Die DDR wird versuchen, jeden Schußwaffengebrauch an der Grenze zu verhindern...Es wird nur geschossen, wenn akute Gefahr für das Leben und die Gesundheit der Grenzsoldaten besteht.` Hiermit erklärte sich Gorbatschow nach längeren Beratungen einverstanden. Der Angeklagte Krenz erließ daraufhin den Befehl Nr. 11/89 des Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungsrates der Deutschen Demokratischen Republik vom 3. November 1989...Dieser Befehl sollte sicher stellen, daß bei einer für den 4. November 1989 angekündigten Demonstration in Berlin, bezüglich derer der Angeklagte Krenz erfahren hatte, daß eine größere Gruppe von Demonstranten die Grenzsicherungsanlagen um das Brandenburger Tor stürmen wollte, die Schußwaffe nicht zum Einsatz kommen würde. Nachdem der Angeklagte Schabowski in den frühen Abendstunden des 9. November 1989 auf einer auch im Fernsehen der DDR direkt übertragenen Pressekonferenz bekanntgegeben hatte, daß Privatreisen ins Ausland ab sofort ohne Vorliegen von Voraussetzungen beantragt werden könnten..., kam es in der Nacht zum 10. November 1989 zu einem Massenansturm von Bürgern der DDR auf die Grenzübergangsstellen zum Westteil Berlins. Die von dem Angeklagten Krenz als Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungsrates vorgegebene Grundrichtung, keine Gewalt anzuwenden, führte dazu, daß diese Nacht einen unblutigen Verlauf nahm. Auf Grund des Befehls 11/89 waren die Sicherheitskräfte auch in der Nacht vom 9. zum 10. November 1989 bis zur Verkündung eines anders lautenden Befehles auf die Nichtanwendung der Schußwaffe verpflichtet. Die unter Führung des Angeklagten Krenz vom Politbüro eingeschlagene Linie, nur eine politische, nicht aber eine militärische oder polizeiliche Lösung in Betracht zu ziehen, verfolgte der Angeklagte auch in der Folgezeit weiter und unterrichtete hiervon am 10. November 1989 Michail Gorbatschow. Er bat ihn, den Botschafter Kotschemassow zu beauftragen, unverzüglich mit den Vertretern der Westmächte im Westteil Berlins Verbindung aufzunehmen, um zu gewährleisten, daß sie die normale Ordnung in der Stadt aufrechterhalten und westliche Provokationen an der Grenze verhindern".

So steht es im schriftlichen Urteil. 

Wenn man Herrn Krenz nun vorhält, er hätte sich früher für eine Änderung des Regimes einsetzen müssen so übersieht man, daß selbst Gorbatschow noch am 16.April 1986 anläßlich eines Besuches am Brandenburger Tor den Grenztruppen in das Gästebuch folgende Widmung schrieb: " Am Brandenburger Tor kann man sich anschaulich davon überzeugen, wie viel Kraft und wahrer Heldenmut der Schutz des ersten sozialistischen Staates auf Deutschen Boden vor den Anschlägen des Klassenfeindes erfordert. Die Rechnung der Feinde des Sozialismus wird nicht aufgehen. Das Unterpfand dessen sind das unerschütterliche Bündnis zwischen der DDR und der UdSSR sowie das enge Zusammenrücken der Brudervölker im Rahmen des Warschauer Vertrages. Ewiges Andenken den Grenzsoldaten, die ihr Leben für die DDR gegeben haben."

Wenn also selbst Gorbatschow noch im Jahre 1986 - wohl zu seinem eigenen Schutz - derartiges schreiben mußte, wie wäre es da wohl Herrn Krenz ergangen, wenn er schon damals etwas gegen das von der UdSSR diktierte Grenzregime unternommen hätte. 

Dieser Sachverhalt wird in allen Medien verschwiegen und unterdrückt. Der Menschenrechtsgerichtshof hat sich damit überhaupt nicht befasst. Man kann feststellen: "Wessen Brot ich esse, dessen Lied ich singe."

Was lernen wir daraus ? Recht ist nicht immer Gerechtigkeit. 

Werner Heinlein München