Zum Waffengebrauch im Grenzdienst
Beiträge aus der Monatsschrift des Bundes der Deutschen Zollbeamten e. V.;
DER DEUTSCHE ZOLLBEAMTE
1.
Zollbeamte als "mordlustige Heckenschützen"
Es gibt illustrierte Zeitungen, die da glauben, ihren Lesern und Betrachtern grausige Unfallbilder, Aufnahmen von Ermordeten, billige Sensationsreportagen und dergleichen vorsetzen zu müssen; das ist ihre Sache und geht uns nichts an. Wenn indessen eine Zeitschrift wie die "Neue Illustrierte" in ihrer Nummer 30 vom 23. Juli d. Js. nicht nur Gefallen daran findet, den Kaffeeschmugglern ein romantisches Kränzlein zu winden, sondern auch noch Wert darauf legt, die Zollbeamten als mordlustig erscheinen zu lassen, so müssen wir zu solcher Art Zeitungsgestaltung doch Stellung nehmen.
Unter der Überschrift "Genickschuß für 6 Pfund Kaffee" veröffentlicht die "Neue Illustrierte" eine Bildreihe, die sich mit der Erschießung eines Kaffeeschmugglers durch einen Zollbeamten befaßt. Die Unterschrift unter dem Bild des Beamten lautet: "Der Krieg hat mich hart gemacht, erklärte der Todesschütze, der einen jungen Deutschen niederschoß, der sechs Pfund Kaffee mit sich führte. Wer trägt letzten Endes hier die Schuld? Die viel zu hohe Kaffeesteuer? Die Zollschießvorschrift, die wesentlich schärfer ist als die der Polizei – oder aber die . . . Auswahl der Zollbeamten?"
Eines der anderen Bilder zeigt eine Kranzschleife. Unterschrift: "Er fiel durch Mörderhand eines Heckenschützen, so stand auf einer der Kranzschleifen, die bei dem Begräbnis des erschossenen Schmugglers auf den Grabhügel gelegt wurde – eine harte Sprache, die die Stimmung im Kampf zwischen Zöllnern und illegalen Kaffeebesorgern widerspiegelt."
Der Bildartikel ist eine klare Stellungnahme gegen die nachdrückliche Bekämpfung des Schmuggels. Weltfremdheit wird man bei der Redaktion einer großen Illustrierten kaum voraussetzen dürfen; ihren Redakteuren müssen die Verhältnisse an der Zollgrenze bekannt sein. Trotzdem tritt die Zeitschrift für eine Schmuggelbekämpfung mit Sammetpfötchen ein. Wem käme da nicht jenes Bismarck-Wort in den Sinn: "Ich bin durchaus für Abschaffung der Todesstrafe – nur müssen die Herren Mörder damit anfangen!"
Als Mörder wird in der "Neuen Illustrierten" nun aber nicht ein Schmuggler oder ein Mitglied einer Schmuggelbande bezeichnet, sondern der Zollbeamte, der auf einen Schmuggler schoß! Zwar tut die Zeitschrift das nur mittelbar, indem sie die Kranzschleife sprechen läßt, aber sie nennt die Sprache dieser Schleifenaufschrift "hart", und der Leser ergänzt unwillkürlich: "Aber gerecht". Der Bildartikel weckt Abscheu vor dem Zollbeamten, dem "Heckenschützen", und das ist ja wohl auch die Absicht.
Zur Klarstellung des Sachverhalts muß das Ergebnis der amtlichen und gerichtlichen Untersuchung abgewartet werden. Deshalb enthalten wir uns einer weiteren Stellungnahme zu dem vorliegenden sehr bedauerlichen Vorfall. Grundsätzlich aber müssen wir Stellung dagegen nehmen, daß hier wieder einmal ein Einzelfall verallgemeinert wird, zumal wir hier die Wiederbelebung einer Geistesverfassung erkennen müssen, die vor drei Jahrzehnten schon einmal einen großen Teil des öffentlichen Denkens beherrschte. Damals wurde das Verbrechertum verherrlicht. Über die Discontobank-Banditen Strauß beispielsweise brachte die Boulevardpresse seitenlange Bewunderungsreportagen, und auch andere Verbrecher waren Gegenstand liebevoller Betrachtungen, die sämtlich dem Streben entsprossen, das "bedauernswerte Opfer" vor der gerechten Strafe zu schützen.
Das alles ging auf Kosten der tatsächlichen Opfer, vor allem aber ging es auf Kosten des Staatsgedankens. Offenbar fängt diese Art der Berichterstattung wieder an. Wir erinnern uns nicht, in der illustrierten Sensationspresse schon eine Bildreportage über die Ermordung auch nur eines der zahlreichen Zollbeamten durch Schmuggler gelesen zu haben, – kennen auch keine Bildreportage in illustrierten Zeitschriften, die für die Härte des Abwehrkampfes der Zöllner ausdrücklich Verständnis zeigte.
Die Zollbeamten, darüber scheint sich die "Neue Illustrierte" nicht klar zu sein, stehen in einem aufreibenden Kampf gegen ein Gangstertum, das dem Staate jährlich Hunderte von Millionen Schaden bereitet. Die Beamten, die bei Nacht und Nebel draußen sind, ständig in Gefahr, eine Kugel zu bekommen, setzen damit mehr ein als der Angehörige eines Schreibtischberufes, und sie haben ein Recht auf besonderen Schutz, vor allem durch eine ausreichende Schießvorschrift. Der Schmuggler, der sich trotz Kenntnis der Schießvorschrift in Gefahr begibt, muß selbstverständlich damit rechnen, daß er darin umkommt.
Es ist kaum zu fassen, daß eine Zeitschrift es lieber sähe, die Zollbeamten wären weniger geschützt, nur damit – um Himmels willen! – nicht gelegentlich ein Schmuggler seinem verwerflichen Beruf zum Opfer fällt. Die Zollbeamten müssen es sich verbitten, öffentlich als mordlustig, verroht ("Krieg") und feige ("Heckenschützen") beschimpft zu werden. Ebenso müssen sie es zurückweisen, daß man sie als wahllos zusammengelaufenen Haufen erscheinen läßt, worauf der Hinweis auf die "Auswahl der Zollbeamten" hinaus will.
Der Angriff in der "Neuen Illustrierten" geht die ganze Beamtenschaft an; denn er stellt sich schützend und wohlwollend ("Kaffeebesorger") vor die Illegalität, vor die Mißachtung des Gesetzes also, dessen wirkende Hand nun einmal die Beamtenschaft ist. Der instinktlose Leser jenes Bildartikels sagt zunächst: "Diese niederträchtigen Zöllner!" und dann verallgemeinernd: "Diese Beamten!"
Die Zollbeamten wenden sich gegen die zersetzende Tätigkeit einer derartigen Berichterstattung, nicht nur, weil sie die Beschimpften sind, sondern auch aus Gründen ihres Willens zu Staatserhaltung. Seit Voltaires Zeiten fängt die Vermorschung eines Staates immer an mit dem Angriff auf die Stützen und Träger der Ordnung. Auch um des Staates willen sind wir zur rechtzeitigen Abwehr solcher Angriffe verpflichtet!
St.
Aus: DER DEUTSCHE ZOLLBEAMTE, Augustheft 1952, Seite 252 [Hervorhebungen im Original]
***
2.
Schießverbot
Die Presse ist oft sehr verdrossen,
Wenn ab und zu im Grenzgebiet
'Auf einen Schmuggler wird geschossen,
Der trotz des dritten Anrufs flieht.
Sie zieht dann über Zöllner her
Und meint, daß es nicht nötig sei,
Daß man mit einem Schießgewehr
Bekämpft die Kaffeeschmuggelei.
Doch auch die Zöllner sind verdrossen,
Weil manche Schmuggler dann und wann
Ganz unerwartet auf sie schossen.
(Die Schmuggler riefen nicht mal an!)
Nun, was die Presse sagt, ist richtig;
Drum heißt jetzt unser erst' Gebot:
Als dringend und auch äußerst wichtig
Ergeht sofort ein Schießverbot!
In Zukunft wird in allen Fällen
Ein Schmuggler nur noch so gestellt:
Die Zöllner werfen ihn mit Bällen,
Die nur aus Watte hergestellt!
Und während wir den Schmuggler schonen,
Kann dieser dann - in allen Ehren -
Mit Browning und mit blauen Bohnen
Sich seines Schmugglerlebens wehren.
Verflucht sei der, der Ordnung hält,
Dem Volk, der Wirtschaft nützt
Und Tag und Nacht (für wenig Geld)
Die deutschen Grenzen schützt!
Es lebe Schmuggel, Schieberei -
Und - daß ich's nicht vergesse -
Die Sensationenschmiererei!
Mein dreifach Hoch gilt solcher Presse!! H. R.
Aus: DER DEUTSCHE ZOLLBEAMTE, Oktoberheft 1952, Seite 355
***
3.
Das große Geschrei
Ein Schmuggler ist in Aachen erschossen worden. Wir bedauern den Tod eines Mitmenschen und die leidvollen Folgen für seine Familie. Für uns ist das Mißverhältnis zwischen schuldhaftem Verhalten und dessen Folgen tragisch. Unser Mitgefühl gehört den Angehörigen.
Was aber soll das große Geschrei, besonders in der Presse? Was sollen die hintergründigen Anfragen von Bundestagsabgeordneten? Was soll das Lamentieren um die Unverletzlichkeit der Person? Wer hat eigentlich die gesetzlichen Bestimmungen gemacht? Vielleicht der Beamte? Vielleicht unsere Verwaltung? Nicht viel mehr jene Abgeordnete, die heute in Entrüstungsrufe ausbrechen?
Was sollen Gesetze, wenn ihre Befolgung nicht notfalls erzwungen werden kann? Dieser Schmuggler ist nicht wegen des geringfügigen Schmuggelgutes erschossen worden. Der Zollbeamte ist doch kein Hellseher. Vielmehr mußte er annehmen, daß ein Mann, der durch Zuruf und Warnschuß zum Halten aufgefordert worden ist und trotzdem weiterfährt, sich einer besonders schweren Gesetzesverletzung schuldig gemacht hatte. Wie konnte der Beamte annehmen, daß dieser Mann wegen ein paar Groschen Abgaben sein Leben aufs Spiel setzte? Welche Verdrehung der Tatsachen, den Beamten nunmehr zum Schuldigen zu stempeln. Warum ist dieser Schmuggler nicht stehengeblieben? Konnte dieser Mann nicht vielmehr staatsgefährdendes Material bei sich führen, Rauschgifte, konnte er nicht ein langgesuchter Verbrecher sein? Er war ein Kleinschmuggler; aber wußte man das vorher?
Wir glauben nicht, daß sich ein Richter findet, der diesen Beamten verurteilt. Die Folgen wären nicht abzusehen. Sollen die Waffen von den Zollbeamten in Zukunft nur noch zur Selbstverteidigung gebraucht werden? Soll in Zukunft jedermann die Grenze ungehindert passieren können, weil er das schnellere oder stärkere Fahrzeug, die hurtigeren Füße hat? Sind die Zollbestimmungen in Zukunft nur noch für diejenigen da, die sich ihnen freiwillig unterwerfen? Kann der Gesetzesbrecher tun und lassen, was er will?
Wenn die jetzige Regelung den Bundestagsabgeordneten nicht gefällt, bleibt es ihnen unbenommen, eine bessere herbeizuführen. Wir hoffen: eine bessere, die auch den Beamten schützt, davor schützt, lebenslang eine seelische Belastung tragen zu müssen, auch wenn er in Ausübung seines Dienstes rechtens gehandelt hat.
Wo bleibt die Objektivität der Presse, die sich soviel darauf zugute tut? Es gibt nur wenige Stimmen, die für den überforderten Beamten sprechen, fast alles Mitgefühl gilt dem Gesetzesbrecher.
Wir haben niemals solch einen Aufwand erlebt, wenn etwa ein Beamter in Ausübung des Dienstes von Verbrechern getötet worden ist oder ein Taxifahrer oder der Angestellte einer Bank. Die sogenannte "Volksseele" hat dann nicht gekocht. Das Sterben dieser Menschen wird augenscheinlich als zu ihrem Pflichtenkreis gehörend angesehen. Ihr Tod macht keine Schlagzeilen. Er wird mit ein paar Worten abgetan.
Aber jetzt das Geschrei:
"Ein Familienvater für einige Grämmchen Kaffee erschossen"
"Todesschütze"
"Ein Familienvater mußte wegen einer Bagatelle sterben"
"Ein Menschenleben auslöschen, einen Familienvater töten"
"Wild-West an der Grenze"
"Todesschuß aus der Zollpistole"
". . . einen wehrlosen Menschen wie ein Stück Wild abschießen"
". . . eine Tat, die zum Himmel schreit"
". . . kaltblütige Erschießung"
Das sind nur ein paar Beispiele aus den zahlreichen Leserbriefen, unter denen, das muß der Gerechtigkeit wegen gesagt werden, auch einige sind, die die Schuld nicht bei dem Beamten suchen, sondern bei dem Schmuggler und den gesetzlichen Vorschriften.
Wir glauben zu wissen, daß unsere Verwaltung sich schützend vor ihren Beamten stellt. Es muß ganz klar und eindeutig festgestellt werden, daß Gesetze dazu da sind, um befolgt, und Dienstvorschriften, um angewendet zu werden. Die Verantwortung darf nicht den Beamten treffen.
Der Kollege soll wissen, daß der Bund der Deutschen Zollbeamten hinter ihm steht, daß wir uns solidarisch mit ihm erklären.
G. M.
Aus: DER DEUTSCHE ZOLLBEAMTE, Aprilheft 1964, Seite 79
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