Neues Deutschland S.8 Sonnabend/Sonntag, 23./24. September 2000
Gerichtsstreit Gauck - Diestel
Nur die Ehre?
Von René Heilig
Absurd! Da soll ein Gericht (wieder einmal) feststellen, wie >>man<< in der DDR lebte, wer was wann von der Stasi wusste und warum wer mit wem in diesem Apparat zu welchem Preis welche Kompromisse einging.
Allerdings: >>Man<< heißt in diesem Fall Joachim Gauck. Und der war vormals nicht nur Pfarrer in Rostock. Der DSU-Gründer und letzte DDR-Innenminister Peter-Michael Diestel hatte erklärt, der Mann, nach dem seit zehn Jahren die politische Röntgenabteilung für Ex-DDRler benannt ist, sei im Sinne des Stasi-Unterlagengesetzes nicht ganz unbedacht geblieben von >>Freundlichkeiten<< der Firma Mielke & Co. Quälend lang versuchten Gaucks und Diestels Anwälte gestern im Rostocker Gerichtssaal, die DDR-Wirklichkeit durch ein Dutzend eidesstattlicher Erklärungen zu bestimmen und sie so oder so der bundesdeutschen Rechtsprechung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsschutz anzupassen.
Der Vorwurf der Zusammenarbeit mit dem MfS bzw. der Förderung durch das Mielke-Ministerium greife in schwerwiegender Weise in die persönliche Ehre Gaucks ein und sei zudem geeignet, die gesamte Arbeit der ihm unterstehenden Behörde in Frage zu stellen - dieser Satz findet sich in Gaucks Antrag, Diestel einen Maulkorb zu verpassen. Kann man exakter sagen, worum es wirklich geht?
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